Samstag, 19. Januar 2019

Die Schule bekommt ein eigenes Gebäude


Und nun ging es beschleunigt an die Einrichtung der Weinlig-Schule in der Hundegasse! Es mußte doch wenigstens eine Küche eingerichtet werden. Dann die Schulbänke, erst teilweise durch Tische und Schemel ersetzt werden, etc. etc. An dieser Stelle möchte ich das lieben Tischlermeisters Wilhelm Wolff, Langfuhr gedenken, der wie ein rechter Freund mich beriet, tüchtige und saubere Arbeit lieferte und absolut zuverlässig war.
Ich pendelte nun immer zwischen der Großen Mühle und der Hundegasse hin und her – und kam meistens gerade zur rechten Zeit, um irgendetwas Falsches bei der Einrichtung zu korrigieren!
Ich selbst schenkte damals unserem Schulhaus den Küchenbalkon, der von "Küche 9" über dem Seitenflügel des Schulhauses errichtet wurde.
Am 21. Juni 1926 – ein Jahr nach unserer großen Ausstellung in der Loge Einigkeit auf Neugarten – sind wir dann in unser Schulhaus, Hundegasse 54 eingezogen!
Ein großer Tag! Und festlich sollte er vor sich gehen! Danzig sollte wissen, daß es eine Mädchenberufsschule hat!
Es traf sich glücklich, daß die Schwester meiner langjährigen Schulfreundin die Privatsekretärin unseres Senatspräsidenten Dr. Sahm war. Durch deren Vermittlung wurde ich zu einer Rücksprache mit dem Senatspräsidenten vorgeladen, in deren Verlauf ich den Präsidenten bat, zu der Einzugsfeierlichkeit unserer Schülerinnen in unser neues Schulhaus zu erscheinen, da ich es für sehr wünschenswert und richtig hielte, daß die Danziger Mädchenberufsschule auch nach außen hin den Platz unter den Danziger Schulen einnimmt, der ihr wegen ihrer Bedeutung zukommt.
Der Präsident sagte zu – fragte nur noch, welche Rolle ihm dabei zugedacht sei. Ich erwiderte, daß wir sehr dankbar und erfreut schon allein durch sein bloßes Erscheinen seien.
Leider war Senator Strunk zu dem Zeitpunkt unseres Einzugs bettlägerig krank, er wäre sicher sehr gern gekommen, auch um eine entsprechende Ansprache zu halten! Notgedrungen mußte nun Herr Oberschulrat Th. ran!
Nachdem ich nun die Zusage der Senatspräsidenten hatte, suchte ich den Oberschulrat auf und erstattete ihm Bericht bezüglich unseres Einzuges. Als er von mir hörte, daß ich den Senatspräsidenten eingeladen hatte, sagte er sichtlich peinlich überrascht: "Ja, ist das denn nötig?" – Nach allen meinen bisherigen Erfahrungen mit Oberschulrat Th. wird man wohl verstehen, dass mich ein gewisses Gefühl Der Genugtuung erfüllte, als ich ihm darauf erwiderte, daß dies allerdings sehr nötig und wichtig sei. Denn unsere Mädchenberufsschule sei nicht irgendeine "Winkelschule", oder eine "Frau Mädchenschule, sondern die größte Schule für Mädchen in Danzig und hätte große Aufgaben zu erfüllen.
Und so kam dann der feierlicher Tag des Umzugs und Einzugs, der 21. Juni 1926 heran.
Es war eine sehr schöne Feier! Herr Direktor Jasse war auch erschienen. Auch die Presse war erschienen! Herr Oberschulrat Th. hielt eine würdige Ansprache. Und hier will ich auch nicht unterlassen, die Bemerkung, die er über mich machte, aufzuschreiben. – Er wollte sichtlich wohl damit manches gut machen von dem, was er mir durch seine Gleichgültigkeit angetan hatte! Er sprach von Pestalozzi und meinte "seines Geistes hätte ich einen Hauch verspürt. Mich leite nur der Gedanke:
"
Alles für meine Schule! Nichts für mich!"
Nun, das war ja sehr freundlich von ihm gemeint!
Im übrigen kam er, nachdem wir das ganze Schulhaus besichtigt hatten, und der Senatspräsident fortgefahren war, noch einmal in mein Amtszimmer und sagte, daß er wohl einsehe, daß er sich bisher ziemlich lau meiner Schule gegenüber verhalten hätte, daß ich aber wissen solle, daß ihm das, was er über mich gesagt hätte, aus dem Herzen gekommen sei! Nun, das war besonders freundlich von ihm!
Es mag ja für einen Schulrat schwer sein, wenn er bislang nur Dezernent für höhere und Mittelschulen war, auf einmal nun noch das Dezernat für die Berufsschulen angehängt bekommt! Berufsschulen mit ihrer Vielgestaltigkeit und Vielseitigkeit, mit ihrer engen Verbundenheit mit dem Wirtschaftsleben.
Als Kuriosum hatte ich damals die Taktik von Oberschulrat Th. empfunden, dass er eigentlich immer, wenn ich mit irgendeinem Antrag zu ihm kam, zuerst "Nein!" sagte. Er wußte anscheinend genau, daß ich nicht so leicht abzuschütteln war, ich ihn vielmehr eingehend über den vorliegenden Fall aufklären würde, bis er schließlich – "Ja!" sagte. Unvergessen bleibt mir der eine Fall, als er mir einst sagte: "Fräulein Groth, Sie gehen als Siegerin aus diesem Zimmer!" –
Also nun hatten wir ein eigenes Schulhaus! Die in der Stadt Danzig selbst genutzten Schulhäuser wurden nicht mehr benötigt, die Schulhäuser der Außenwerke blieben selbstverständlich.
Schwierig war es ja nun, den Plan auf die verkürzte Unterrichtszeit umzustellen, also auch, nebenamtlichen Lehrkräfte zu entlassen! Selbstverständlich bemühte ich mich, so gerecht und verständnisvoll wie möglich dabei vorzugehen! Leicht war es jedenfalls für mich nicht! Im übrigen dauerte der Zustand des verkürzten Unterricht meines Wissens höchstens 2 Jahre.

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