Von
der Volksschullehrerin zum Aufbau einer Berufsschule
Wie und weshalb ich in Danzig die Direktorin der Mädchenberufsschule wurde!
Schuld daran ist eigentlich unser verehrter Direktor Neumann von der Viktoria-Schule in der Holzgasse in Danzig!
Warum? Als ich in der Zeit von 1895-1898 das Lehrerinnen-Seminar besucht hatte, nahm ich an dem von unserem Danziger, etwas gefürchteten Musikkritiker Herrn Professor Doktor Karl Fucks [?] angeregten und von ihm selbst geleiteten Klavierstundenzirkel teil, für den wir Teilnehmerinnen monatlich drei Mark bezahlten. Ich hatte die Aufgabe, dies Geld einzusammeln und monatlich unserem Direx abzuliefern. (Es war für mich immer ein besonderer Augenblick, das Zimmer unseres verehrten Direktors besuchen zu dürfen!)
So wußte also Direktor Neumann, daß ich an dem Klavierstundenzirkel bei Doktor Fucks teilnahm.
Etwa zwei Jahre nach meinem Lehrerinnenexamen erhielt ich zu meinem größten Erstaunen eine Postkarte von Direktor Neumann mit der Bitte, ihn aufzusuchen, es handele sich um Klavierstunden! Und dann erfuhr ich von ihm, dass ein Hauptmann W., der nach Danzig versetzt worden war, für seine Tochter eine Klavierlehrerin suchte und da sei ihm eingefallen, dass ich ja bald Doktor Fucks Klavierstunden gehabt hätte! Ich war zuerst ganz erschrocken! Ich sollte Klavierstunden geben?! Doch der Direx redete mir gut zu – Er gab mir noch den Rat, für die Stunde 0,75 M zu nehmen!
Und so geschah es! Und im Laufe der Jahre entwickelte sich mit der ganzen Familie W. und mir eine herzliche Freundschaft. Sie besteht noch bis zum heutigen Tage! Und dann kam 1908 oder 1909 eine Schwester des nunmehrigen Majors W. aus Braunschweig zu Besuch. Sie war sehr erstaunt darüber, dass ich als evangelische Christen nicht Mitglied des evangelischen Frauenbundes sei. Das sei doch meine Pflicht! Nun ja, wenn das meine Pflicht ist, dann muss ich wohl!
Durch einen eigenartigen Zufall erfuhr ich, wo und wann der evangelische Frauenbund, der von Fräulein Helene Sauerhering geleitet wurde, eine Zusammenkunft hatte. Sehr merkwürdig war das! Ich also hin! Der evangelische Frauenbund war damals eine recht exklusive Vereinigung. Der Kreis war auch nicht groß, soweit ich im Laufe des Jahres beobachten konnte. So war es für Fräulein S.sicher etwas recht Ungewöhnliches, daß ich, als sie mir die Tür zum Versammlungsraum öffnete, ganz unbefangen fragte, ob hier der evangelische Frauenbund tage und dabei erklärte, daß ich in diesen Bund eintreten wolle.
Nun ja, ich wurde aufgenommen, irgendwie ausgefragt, man erfuhr daß ich Lehrerin sei – ich war damals 30 Jahre alt – und schon war mein Schicksal besiegelt! – In den nächsten Tagen stand Fräulein S. vor mir in meiner Wohnung und forderte mich freundlich auf, doch am nächsten Sonntag im "Sonntagsheim für junge Mädchen", das vom Frauenbund eingerichtet war, die Leitung des Abends zu übernehmen! – Was blieb mir anderes übrig?! Ich sagte zu! Man feierte gerade den 100. Geburtstag von Mendelssohn: seine "Lieder ohne Worte" bildeten sozusagen den Auftakt zu meiner späteren Entwicklung! Denn – Fräulein S. ließ nicht locker! Alle 14 Tage – der Sonntagnachmittag – gehörte von nun an dem Sonntagsheim für junge Mädchen!
Als dann im Jahre 1912 allgemein der Ruf an die Lehrerschaft erging, sich der schulentlassenen Jugend anzunehmen, da kam dann, ich war damals Lehrerin in Schidlitz, für den anderen Sonntag der christliche "Schidlitzer Jugendbund" hinzu! Ich hatte ja eine Erfahrung in der Jugendbetreuung!
Und so gingen die Jahre hin, bis ich im März 1920 zu meiner größten Überraschung ein Schreiben von Herrn Direktor Jasse erhielt, in dem ich gebeten wurde, ihn wegen der im Stadtparlament – aufgrund der Weimarer Verfassung – beabsichtigten Errichtung einer Mädchenberufsschule aufzusuchen! – Ich muß gestehen, dass ich keine Ahnung davon hatte, was es um eine Mädchenberufsschule sei. Mir schwebte irgend so eine freiwillige Betreuung jugendlicher Mädchen vor – nun in dieser Beziehung war ich ja reichlich erfahren!
Ich ging mit ziemlichem Unbehagen zu dieser Rücksprache mit Herrn Direktor Jasse zur Knaben-Fortbildungsschule, (so hieß sie damals noch) zur Großen Mühle. Ich erfuhr nun von Herrn Direktor Jasse selbst, daß er vom Danziger Lehrerinnen-Verein, der unter der Leitung von Fräulein Katharina Stelte stand und von ihrer Mitarbeiterin Fräulein Gertrud Mielke, aufgefordert war, sich an mich wegen der Errichtung der Mädchenberufsschule zu wenden. – Es war mit der Zeit ja bekannt geworden, daß ich mich der schulentlassenen Jugend schon seit Jahren angenommen hatte.
Das war Ostern 1920! Ich sollte mich nun entscheiden. Die Entscheidung fiel mir nicht leicht, hatte ich doch keine rechte Vorstellung von der Aufgabe, die an mich heran trat. So schob ich meinen Entschluß von einem Tag zum anderen auf, bis ich schließlich aufgefordert wurde, zur Rücksprache bei Herrn Senator Strunk zu erscheinen.
Wenn ich heute zurückdenke, so muß ich mich nachträglich doch etwas schämen, wie unbeholfen und unvorschriftsmäßig ich mich damals vor unserem höchsten Vorgesetzten Herrn Senator Strunk benommen habe! Der Schulsenat hatte damals seinen Sitz auf Neugarten. Da ich an der Mädchenschule in Schidlitz unterrichtete, ging ich nach Schulschluß zur anberaumten Rücksprache zum Senat. Meine Schülerinnen hatten mir in der Schule Blumen geschenkt – wahrscheinlich waren es Osterllilien und Kätzchen – und mit diesen Blumen im Arm machte ich meinen Arbeitsbesuch bei unserem Schulsenator! – Das tut man doch aber nicht!
Gefragt, wie ich mich nun entschlossen hätte, brachte ich meine großen Bedenken vor, vor allem waren wir ja nun auch mittlerweile klar geworden, dass ein großer Verwaltungsapparat damit verbunden ist, und davor graute mir besonders! Ich brachte schließlich auch auch vor, daß ich auch nicht einmal telefonieren könnte! Nun, ich höre noch heute das herzhafte Lachen des Senats! "Ach, Fräulein Groth das werden sie schon noch lernen!" – Und schließlich zeigte er mir, was für eine große und schöne Aufgabe doch vor mir liegen – der Funke schlug ein!
Ich sagte zu – auf ein Jahr!
Wie und weshalb ich in Danzig die Direktorin der Mädchenberufsschule wurde!
Schuld daran ist eigentlich unser verehrter Direktor Neumann von der Viktoria-Schule in der Holzgasse in Danzig!
Warum? Als ich in der Zeit von 1895-1898 das Lehrerinnen-Seminar besucht hatte, nahm ich an dem von unserem Danziger, etwas gefürchteten Musikkritiker Herrn Professor Doktor Karl Fucks [?] angeregten und von ihm selbst geleiteten Klavierstundenzirkel teil, für den wir Teilnehmerinnen monatlich drei Mark bezahlten. Ich hatte die Aufgabe, dies Geld einzusammeln und monatlich unserem Direx abzuliefern. (Es war für mich immer ein besonderer Augenblick, das Zimmer unseres verehrten Direktors besuchen zu dürfen!)
So wußte also Direktor Neumann, daß ich an dem Klavierstundenzirkel bei Doktor Fucks teilnahm.
Etwa zwei Jahre nach meinem Lehrerinnenexamen erhielt ich zu meinem größten Erstaunen eine Postkarte von Direktor Neumann mit der Bitte, ihn aufzusuchen, es handele sich um Klavierstunden! Und dann erfuhr ich von ihm, dass ein Hauptmann W., der nach Danzig versetzt worden war, für seine Tochter eine Klavierlehrerin suchte und da sei ihm eingefallen, dass ich ja bald Doktor Fucks Klavierstunden gehabt hätte! Ich war zuerst ganz erschrocken! Ich sollte Klavierstunden geben?! Doch der Direx redete mir gut zu – Er gab mir noch den Rat, für die Stunde 0,75 M zu nehmen!
Und so geschah es! Und im Laufe der Jahre entwickelte sich mit der ganzen Familie W. und mir eine herzliche Freundschaft. Sie besteht noch bis zum heutigen Tage! Und dann kam 1908 oder 1909 eine Schwester des nunmehrigen Majors W. aus Braunschweig zu Besuch. Sie war sehr erstaunt darüber, dass ich als evangelische Christen nicht Mitglied des evangelischen Frauenbundes sei. Das sei doch meine Pflicht! Nun ja, wenn das meine Pflicht ist, dann muss ich wohl!
Durch einen eigenartigen Zufall erfuhr ich, wo und wann der evangelische Frauenbund, der von Fräulein Helene Sauerhering geleitet wurde, eine Zusammenkunft hatte. Sehr merkwürdig war das! Ich also hin! Der evangelische Frauenbund war damals eine recht exklusive Vereinigung. Der Kreis war auch nicht groß, soweit ich im Laufe des Jahres beobachten konnte. So war es für Fräulein S.sicher etwas recht Ungewöhnliches, daß ich, als sie mir die Tür zum Versammlungsraum öffnete, ganz unbefangen fragte, ob hier der evangelische Frauenbund tage und dabei erklärte, daß ich in diesen Bund eintreten wolle.
Nun ja, ich wurde aufgenommen, irgendwie ausgefragt, man erfuhr daß ich Lehrerin sei – ich war damals 30 Jahre alt – und schon war mein Schicksal besiegelt! – In den nächsten Tagen stand Fräulein S. vor mir in meiner Wohnung und forderte mich freundlich auf, doch am nächsten Sonntag im "Sonntagsheim für junge Mädchen", das vom Frauenbund eingerichtet war, die Leitung des Abends zu übernehmen! – Was blieb mir anderes übrig?! Ich sagte zu! Man feierte gerade den 100. Geburtstag von Mendelssohn: seine "Lieder ohne Worte" bildeten sozusagen den Auftakt zu meiner späteren Entwicklung! Denn – Fräulein S. ließ nicht locker! Alle 14 Tage – der Sonntagnachmittag – gehörte von nun an dem Sonntagsheim für junge Mädchen!
Als dann im Jahre 1912 allgemein der Ruf an die Lehrerschaft erging, sich der schulentlassenen Jugend anzunehmen, da kam dann, ich war damals Lehrerin in Schidlitz, für den anderen Sonntag der christliche "Schidlitzer Jugendbund" hinzu! Ich hatte ja eine Erfahrung in der Jugendbetreuung!
Und so gingen die Jahre hin, bis ich im März 1920 zu meiner größten Überraschung ein Schreiben von Herrn Direktor Jasse erhielt, in dem ich gebeten wurde, ihn wegen der im Stadtparlament – aufgrund der Weimarer Verfassung – beabsichtigten Errichtung einer Mädchenberufsschule aufzusuchen! – Ich muß gestehen, dass ich keine Ahnung davon hatte, was es um eine Mädchenberufsschule sei. Mir schwebte irgend so eine freiwillige Betreuung jugendlicher Mädchen vor – nun in dieser Beziehung war ich ja reichlich erfahren!
Ich ging mit ziemlichem Unbehagen zu dieser Rücksprache mit Herrn Direktor Jasse zur Knaben-Fortbildungsschule, (so hieß sie damals noch) zur Großen Mühle. Ich erfuhr nun von Herrn Direktor Jasse selbst, daß er vom Danziger Lehrerinnen-Verein, der unter der Leitung von Fräulein Katharina Stelte stand und von ihrer Mitarbeiterin Fräulein Gertrud Mielke, aufgefordert war, sich an mich wegen der Errichtung der Mädchenberufsschule zu wenden. – Es war mit der Zeit ja bekannt geworden, daß ich mich der schulentlassenen Jugend schon seit Jahren angenommen hatte.
Das war Ostern 1920! Ich sollte mich nun entscheiden. Die Entscheidung fiel mir nicht leicht, hatte ich doch keine rechte Vorstellung von der Aufgabe, die an mich heran trat. So schob ich meinen Entschluß von einem Tag zum anderen auf, bis ich schließlich aufgefordert wurde, zur Rücksprache bei Herrn Senator Strunk zu erscheinen.
Wenn ich heute zurückdenke, so muß ich mich nachträglich doch etwas schämen, wie unbeholfen und unvorschriftsmäßig ich mich damals vor unserem höchsten Vorgesetzten Herrn Senator Strunk benommen habe! Der Schulsenat hatte damals seinen Sitz auf Neugarten. Da ich an der Mädchenschule in Schidlitz unterrichtete, ging ich nach Schulschluß zur anberaumten Rücksprache zum Senat. Meine Schülerinnen hatten mir in der Schule Blumen geschenkt – wahrscheinlich waren es Osterllilien und Kätzchen – und mit diesen Blumen im Arm machte ich meinen Arbeitsbesuch bei unserem Schulsenator! – Das tut man doch aber nicht!
Gefragt, wie ich mich nun entschlossen hätte, brachte ich meine großen Bedenken vor, vor allem waren wir ja nun auch mittlerweile klar geworden, dass ein großer Verwaltungsapparat damit verbunden ist, und davor graute mir besonders! Ich brachte schließlich auch auch vor, daß ich auch nicht einmal telefonieren könnte! Nun, ich höre noch heute das herzhafte Lachen des Senats! "Ach, Fräulein Groth das werden sie schon noch lernen!" – Und schließlich zeigte er mir, was für eine große und schöne Aufgabe doch vor mir liegen – der Funke schlug ein!
Ich sagte zu – auf ein Jahr!